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SchwachPerfekt 

Leben in einem russischen Dorf, wohnen in Gastfamilien

Arbeiten in einer Sozialeinrichtung und auf Kriegsgräberstätten
Feiern am Lagerfeuer

So haben wir für das zweite eigenständige deutsch-russische Jugendlager der Osteuropa-Freundschaftsgesellschaft vom 09.08.-25.08.2008 in Parfino bei Nowgorod / Russland geworben. Leider nur 9 Jugendliche folgten unserer Einladung und wurden durch die Lagerleiter Lutz Müller und Marian Prehn wie im Vorjahr gut betreut.Das durch die Stiftung West-Östliche Begegnungen und die Hansestadt Rostock geförderte Jugendlager wurde dennoch ein Erfolg und hat bei den teilnehmenden Jugendlichen viele neue Eindrücke hinterlassen.

 

Impressionen aus dem Gruppenleben (Auszug)Susann:Um 3:30 treffen wir uns am Flughafen in Tegel. Der Flughafen erwachte gerade mit Kaffee- und frischem Gebäckgeruch, wir warteten am Check-In. Alle Rucksäcke, Plastetüten, Emaille-Schilder und Reisetaschenwaren erlaubt und wir gingen zu Terminal. Rein in die Maschine von Air Berlin, rauf in den Himmel über die Wolken und wir flogen gegen die Sonne nach St. Petersburg. Nach einer kleinen Kontrolle eines Beamten mit Polizistenhut begrüßte uns Lena und der gelbe Bus, um uns nach Parfino zu bringen. Aus dem Fenster sah man erst breite Straßen, viele bepflanzte Körbe und Rabatten am Straßenrand, Neubauten und einige Holzhäuser. Später sah man vor allem das platte, ewig gleiche mit Birken und Fichten bepflanzte Land, ab und zu von einer Siedlung vieler Holzhäuser unterbrochen. Es wirkte alles so grau. Als wäre etwas Großes umgefallen und der aufgewirbelte Staub hätte sich über Blätter, Häuser, Autos und Menschen gelegt. So fuhren wir die Autobahn zwischen St. Petersburg und Moskau entlang- übrigens für mich die erste Autobahn bei der ich einen Zebrastreifen sah und so derartig viele Löcher auf ungefederten Bussitzen erlebte.An der Grenze zwischen dem Nowgoroder und St. Petersburger Gebiet gab es ein feines, bereits traditionelles Picknick. Wurst, Käse, Brot, Gurke Saft, Wein und Wodka. Sonnenschein und ein weites Feld ...mit Büschen nach Bedarf. Als wir gegen 17:00 Uhr an der Schule ankamen, begrüßte uns ein kleiner Haufen Jugendlicher, die meisten 15 Jahre alt, mit Tee und Süßem. Wir wurden auf die Familien aufgeteilt, nahmen unsere Sachen und gingen nach Hause oder fuhren mit dem Bus.Susann:Ich bin bei einer kleinen Familie. Olesja, Mama Ina und Babuschka Aelena, die aber in ihrer Datscha wohnt und schläft. Eine liebe und wache Frau, die in ihrem Garten Möhren einer gigantischen Größe wachsen lässt. Ina und Olesja schlafen in der Küche auf der Ausziehcouch, mir gehört das Wohnzimmer. Daneben gibt es noch ein kleines Bad, 2 Fernseher, Internet, einen Balkon und eine Anbauwand. Ich musste darüber schmunzeln, weil es der „typisch russischen Wohnung“ in meinem Russisch-Lehrbuch 1 zu 1 entspricht.Auch soll ich immer viel essen und trinken und soviel Wasser verschwenden, wie ich kann.Tobias, Pawel und Philipp:Wir sind bei Galina untergekommen. Sie ist Literaturlehrerin und hat Agata Christie im Schrank stehen. Die Wohnung besteht aus Flur, Klo, Badewanne, Küche und Wohnzimmer und ein paar Wandschränken.Lisa und Angelika:Größte Überraschung war zu erst: Wodka zum Picknick, dann die Gastmutti, die mit ihrer Verstärkungsfreundin auch gut kippte J. Dann der von außen scheinbar in sich zusammenfallende Block unserer Familie im Kontrast zu der innen so warm und mühevoll hergerichteten Wohnung. Ansonsten einfach das Gefühl/ die Erwartung: Russland ... ?Angelika:Mich Lisas Beobachtungen einfach anzuschließen, wäre ja langweilig, daher muss ich noch ergänzen, dass mich der „freundliche Herr“ verwunderte, der unsere Busfahrt stehend begleitete (das war Mischa, unsere Polizeibegleitung – Marian), dass die russischen Naschereien vielfältig und lecker sind und es bei aller Renovierung nie auf ein paar Zentimeter oder genaue Linien bei den Wänden ankommt.Lutz und Marian (Lagerleitung)Für uns war die Unterkunft keine Überraschung, da wir schon im Mai bei der Vorbereitungsfahrt hier gewohnt hatten. Allerdings war es für uns diesmal trotzdem ein Glück, diese Wohnung von Ljuba und Wowa, unseren Gastgebern zu bekommen, weil sie, wenn dann Wasser da war auch über warmes verfügte. Im letzten Jahr wurde ja 14 Tage kalt geduscht. Leider hatten unsere Gastgeber für uns keine Zeit, da sie zum einen in der Datscha wohnten und zum anderen als Unternehmer sehr eingespannt sind. Die Wohnung stellt sicher die Ausnahme in diesem Wohnblock dar, denn ein komplett gefliestes Bad mit moderner Toilette und Spülkasten, Warmwasserboiler und Duschecke nach „Europäischer Norm“ ist noch lange kein Standard. Lutz (als Chef J) hatte das Wohnzimmer bezogen und ich machte mich im Kinderzimmer breit, also weit genug auseinander, um uns nicht gegenseitig beim Schnarchen zu stören. Ralf:Viele Birken, Wind im Haar, Wodkapause auf der Fahrt von St. Petersburg nach Parfino, Holzhäuser mit den ausgewaschenen Farben an den Wänden, Holperstraße, ich liege irgendwo zwischen den Zeitzonen fest, viel Gepäck, das Auspurzeln der Gastfamilien, ich bin bei Sascha und wir stellen uns gegenseitig vor, danach aßen wir gut mit umgedrehtem Besteck J (alle waren sehr aufgeregt) und dann durfte ich die russische Banja (Sauna) kennen lernen....fantastisch!!Bea: Sonntag 10.8.08Um die Eindrücke des Vortages zu verarbeiten wurde es uns gegönnt auszuschlafen. Einige von uns aßen noch Frühstück in den Gastfamilien, währenddessen die Anderen die Zeit mit Schlaf völlig ausnutzten.Um 13:00 Uhr trafen wir uns dann zum 1. gemeinsamen Mittagessen in der Schule. Nach diesem begaben wir uns mit dem russischen Bus, der tatsächlich allen einen Platz bot, nach Staraja Russa. Nach einer kleinen Stadtrundfahrt machten wir Halt beim Dostojewski Museum. Nachdem wir dieses und 2 weitere Kirchen besichtigt hatte, schmerzten langsam die Füße. Um diesen eine Abkühlung zu genehmigen, badeten wir in dem 13°C kaltem Salzsee (gefühlte –10°C) des Kurortes. Erfrischt und mit 10Jahren jüngerer Haut fuhren wir zurück nach Parfino. Nach dem Abendessen zeigten die Jugendlichen uns noch „ihr“ Parfino. Um auf ein gelungenes Lager anzustoßen gingen wir in eine Getränkebar! * Prost *Marian: Montag, 11.8.08Wochenanfang in Parfino. D. h. alle bürokratischen Ämter sind wieder offen und für uns als Leiter beginnt der Hürdenlauf zum Zwecke der Registrierung aller dt. Teilnehmer und zu Klärung anderer „wichtiger organisatorischen Fragen“. JDieser Montag begann eigentlich nicht mit dem gemeinsamen Frühstück in der Schule, sondern mit dem Ende unseres Besuches am Sonntag im Nachtcafé „PULJA“ um 2:45 Uhr. Lutz und ich, immer noch euphorisch, dass wir nach 6 Monaten Vorbereitung endlich unser geliebtes RUSSLAND erreicht haben. Und froh darüber, dass der Flug dieses Mal so entspannt ablief. D. h. wir hatten tolle Teilnehmer ausgesucht, die alle sofort die Umstände beim Einchecken mit den 12 großen zusätzlichen Taschenerkannten und mit anpackten.Also, über diese Freude haben wir uns wohl etwas zu viel gegenseitig auf die Schulter geklopft und dabei die Wirkung des russischen Wodkas vernachlässigt. Aber wir waren nicht alleine an dieser späten Zeit Schuld sondern auch die sehenswerten Tanzeinlagen einiger ausgelassenen russischen Frauen. Vom Wodka nun doch etwas angeheitert traten wir zur besagten Zeit den Heimweg an. Nach dem Frühstück um 10.00 Uhr starteten wir dann mit unserem Bus + Fahrer Viktor in Richtung Baustelle Sozialzentrum. Ein paar Teilnehmer ließen wir gleich in der Schule, um dort vermeintliche Verschönerungsarbeiten der Außenanlagen durchzuführen. Angekommen im Sozialzentrum, trafen wir die Leiterin, um unsere Bestellung für unser Bauvorhaben samt Werkzeug aufzugeben. Natürlich wäre es zu schön gewesen, wenn alles, was wir bereits im Vorfeld per Email bei Lena bestellt hatten auch sofort verfügbar gewesen wäre. Aber das ist das Russland wie wir es lieben. Alles wird erst an dem Tag entschieden, an dem die Beteiligten auch körperlich anwesend sind. Nach ca. 1 Std. war „alles klar“ und wir mussten unsere Teilnehmer beschäftige. Aus Erfahrung des letzten Jahres heraus bot sich der russ. Soldatenfriedhof in Parfino an. Ich ließ Lutz und die Jugendlichen allein und fuhr mit Lena zur Miliz. Dort mussten wir die Anmeldepapiere abholen. Pro Teilnehmer 2 DIN A4 Seiten –doppelseitig. Mit diesen Blankodokumenten und unseren Pässen ab zur Administration ca. 500m weiter die Straße rauf. Lena hat dort eine gute Bekannte, die all diese Seiten für uns ausfüllt. Kleines Problem: alle Pässe + Visa + Migrationscard mussten kopiert werden. Kopierer aber defekt, also rüber über die Straße in das Schreibwarengeschäft. Bei meinem Eifer übersah ich den gemeinen Absatz gleich hinter der Tür und stolperte, aufgefangen von der letzten Kundin in das Geschäft. „Iswinitje mnje poschaluista“ stammelte ich. Sie fand das nicht lustig und mir war es ordentlich peinlich. Lena lachte nur.Philipp Dienstag, 12.8.08Nach dem gemeinsamen Frühstück in der Schule ging ein Teil von uns zum Sozialhaus arbeiten. Dort wurde begonnen, das Sandkastenschiff auszuheben. Der andere Teil begab sich zum russischen Soldatenfriedhof vor Ort und begann ihn mit zwei Heckenscheren, Spaten und Rechen zu entwildern. Erst gruben wir die Erde um den Gedenksteinen um und lasen das Unkraut raus. Damit wurden wir vor dem Mittagessen fertig. Zu diesem gab es Kohlsuppe und dann reis mit Hühnchen –sehr lecker. Danach ging die Truppe wieder an die Arbeit. Die Friedhofstruppe hatte jetzt auch eine Motorsense. Wie wir herausfanden konnte man auch damit prima Hecken beschneiden, was die Arbeit beträchtlich vereinfachte. So bekamen wir den Friedhof etwas entwildert- sogar zum großen Teil. Nach dem Mittagessen spielten wir Volleyball.63 Jahre – 63 Jahre nach dem 2. Weltkrieg pflegen die Enkel und Urenkel der einstiegen Feinde deren Gräber und spielen zusammen Volleyball. Das soll jetzt nicht heroisch klingen, aber ich hoffe, dass es ein gutes Zeichen ist.Liesa: Mittwoch, 13.8.08Mmh, ja Mittwoch ist inzwischen schon mehr als 10 Tage her ...mein Tagebuch gibt zu dem Datum wörtlich folgende Information:“ Den ganzen nächsten Tag auf dem Spielplatz geschaufelt – oh, muss erst einmal duschen bevor das Wasser wieder abgestellt wird.“Folglich war er recht schweißtreibend und erschöpfend. Für Geli und mich bestand er wie gesagt aus dem Ausheben der Bootsgrube, dem wunderbaren Geschafft-Gefühl hinterher (begleitet von etwas Selbstmitleid wegen der Blasen und verschiedener Schmerzen) und ich war so auf uns fixiert, dass ich schwer sagen kann was auf der Baustelle noch so los war....Ich erinnere mich an schönes Wetter –d. h.: es schien mir ziemlich warm und bestimmt gab es Suppe, Brot und eine der variablen Hauptmahlzeiten zum MittagJ. (Das war wirklich nicht als Kritik gemeint!) Ach so ja: Der 1. Tag an dem ich so was wie Gemeinschaft verspürt habe: nach anstrengender getaner Arbeit gemeinsam über sandige Straßen Richtung Essen spazieren – da brauchten wir uns nicht zu verstehen /oder überhaupt unterhalten. Es fühlte sich einfach gut an!Tobias: Donnerstag, 14.8.08Nach dem gewohnten Frühstück ging es weiter an die Arbeit. Das Blumenbeet nahm schon Form an und die Form von ersten Inseln und dem Fundament des Schiffes sind schon gut zu erkennen. Leider wurden heute statt Rundhölzer Bretter geliefert. Das stellte uns beim Schiff vor einige Probleme. Es bleibt zu hoffen, dass wir morgen welche bekommen.Erste Spannungen sind auch schon zu spüren. Die Gruppe ist untereinander zwar höflich, aber gut zusammenpassen tut sie nur teilweise. Abends stand außerdem noch eine Teamauswahlspiel an, in dem Spieler gegen die Miliz gesucht werden. Ich hoffe, ich werde mich gut als dekorativer Zuschauer qualifizieren....Mehr zu den Jugendlagern in Parfino/Russland und Barth/Mecklenburg-Vorpommern steht im Werkstattbericht Nr. 2 "Spuren der Geschichte", zu beziehen über den Landesvorstand.